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27. Okt 2017

Der argentinische Markt für Pelletkessel sei im Verhältnis zur Grösse des Landes und der Einwohnerzahlen sehr klein. Interesse für Holzpellets besteht nur in den Gebieten ohne Erdgasversorgung, in denen Pellets verfügbar sind.

Argentinien: Subventionen für Fossile behindern Pelletmarkt

(©BJ) Fast 3800 Kilometer erstreckt sich Argentinien Land in Nord-Süd-Richtung: Während im Norden des Landes ein subtropisches Klima herrscht wird es im Süden vergleichbar kalt wie in Europa. Geheizt wird mit Erd- und Flüssiggas. Holzpellets sind bislang ein Nischenprodukt – es gibt keine heimischen Kesselbauer und nur eine lückenhafte Versorgungsstruktur. (Texte en français >>)


Im Norden des Landes muss kaum geheizt werden. Auch in Buenos Aires sind die Temperaturen noch mild, selbst im kältesten Monat, dem Juli, liegen sie um elf Grad Celsius. Das entspricht dem Frühlings- oder Herbstwetter in Deutschland. Im Süden des Landes kann es hingegen sehr kalt werden, vergleichbar mit dem Norden Europas. Hier greift man eher auf Heizkessel zurück. Erdgas und Flüssiggas sind als Energieträger weit verbreitet, Heizöl hingegen kaum. Und Holzpellets?

Nischenmarkt
Der argentinische Markt für Pelletkessel sei „im Verhältnis zur Grösse des Landes und der Einwohnerzahlen sehr klein“, sagt Gregor Schneitler, Marketingleiter der österreichischen Firma Ökofen, die seit 2011 in Argentinien aktiv ist. Dennoch sei man „mit den Absatzzahlen und der Marktentwicklung zufrieden“. Schneitler muss aber eingestehen, dass Argentinien sich „aufgrund der Marktgrösse und der grossen Distanz um einen Nischenmarkt handelt, für den der Aufwand doch recht hoch ist.“ Erschwert werde die Situation durch Importbeschränkungen und Zölle: „Das Produkt wird dadurch preislich unattraktiv und oftmals war es auch gar nicht möglich Pelletskessel zu importieren.“

Schwindende Subventionen
Hinzu kommt, dass die Pellets durch eine staatliche Subventionierung von Erdgas, Diesel und Strom einem verzerrten Markt ausgesetzt sind. Inzwischen werden die Subventionen immerhin abgeschmolzen und so gleichen sich die Energiepreise langsam an die Weltmarktpreise an – was zu langsam steigendem Interesse an erneuerbaren Energien führt.

Gleichwohl sind die Energiepreise noch immer regional sehr unterschiedlich. „Dies führt dazu, dass das Interesse an Pellets als Energiequelle dort sehr gross ist, wo die Energiepreise hoch sind und umgekehrt kaum vorhanden, wo die Energie günstig ist“, sagt Matias Baumgart, Manager beim Argentinischen Pellethersteller Lipsia. In Regionen, in denen die Energie sehr günstig ist, denke niemand über alternative Energiequellen wie Holzpellets nach.

Nur in Gebieten ohne Erdgasversorgung
„Interesse für Holzpellets besteht nur in den Gebieten ohne Erdgasversorgung, in denen Pellets verfügbar sind“, ergänzt Ökofen-Mann Schneitler. Denn Erdöl, Flüssiggas und Strom sind heute in vielen Regionen teurer als Holzpellets. Erdgas hingegen unterbietet den nachwachsenden Brennstoff weiterhin. Insgesamt aber seien Holzpellets kaum bekannt, sie seien in Argentinien bislang kein üblicher Brennstoff. Erst seit wenigen Jahren könne man Sackware in einigen Verkaufsstellen, wie zum Beispiel Baumärkten, erwerben, doch die Pelletsversorgung ist noch lange nicht flächendeckend. „Das ist ein grosses Hindernis bei der Marktentwicklung im kleinen Leistungsbereich“, heisst es bei Ökofen. Daher werden Pelletskessel auch vorwiegend im Rahmen grösserer Projekte installiert. Einheimische Hersteller von Pelletheizungen oder -kesseln gibt es noch nicht, da der Markt noch sehr klein ist und eine Fertigung sich folglich nicht lohnt. Der Pellethersteller Lipsia zum Beispiel importiert Öfen aus Italien (Palazzetti), mittlere Kessel aus Österreich (Ökofen) und Kessel mit höheren Leistungen aus Deutschland (Heizomat).

Lokale Produktion
Lipsia kommt aus der Forstwirtschaft, kultiviert knapp 9000 Hektar Waldfläche, und hat sich 2007 auf die Produktion von Pellets aus Reststoffen der Holzwirtschaft und die Installation dazugehöriger Anlagen wie Öfen und Heizanlagen spezialisiert. Die lokale Produktion wird grösstenteils im Inland verbraucht, nur eine geringe Menge Pellets wird exportiert, hauptsächlich nach Italien. Pelletimporte gibt es in Argentinien nicht.

Die produzierte Pelletmenge ist mit 120‘000 Tonnen pro Jahr überschaubar, sie steigt auch nur langsam mit dem Wachstum des Marktes. „Dieser Prozess ist etwas langwierig, da es in Argentinien keine guten Finanzierungsmöglichkeiten gibt, die dazu anspornen könnten, in Produktion oder Konsum zu investieren“, sagt Lipsia-Manager Baumgart. Es gebe auch für die Produktion oder den Einsatz von Holzpellets keinerlei wirtschaftliche Unterstützung von Seiten des Staates.

29.4 Millionen Hektar Wald
Dabei hat das Land einiges an Wald zu bieten. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind in Argentinien rund 29.4 Millionen Hektar bewaldet, entsprechend 10.7 Prozent der Landesfläche. 1.7 Millionen Hektar werden noch als Primärwald klassifiziert. Der argentinische Forstsektor hat mit einer Wertschöpfung von rund 2.1 Milliarden US-Dollar einen Anteil von etwa 0.5 Prozent am Bruttoinlandprodukt. Nach Daten der FAO sind rund 70‘000 Menschen im Forstsektor beschäftigt.

Aber die Waldflächen schrumpften, auch noch in der jüngeren Vergangenheit: Zwischen 1990 und 2010 verlor Argentinien rund 16 Prozent seiner Waldbedeckung. Im historischen Blick wurden die Wälder sogar massiv dezimiert. Im Jahre 1914, so schreibt der WWF, seien laut einer Flächenzählung 105 Millionen Hektar bewaldet gewesen.

Wirtschaftliches Interesse an gesunden Wäldern gering
Es sind vor allem zwei Gefahren, denen die argentinischen Wälder ausgesetzt sind. Zum einen werden Areale grossflächig gerodet, um Platz zu machen für den Anbau der Sojabohne. Zum zweiten fallen viele Bäume der Nachfrage nach argentinischem Rindfleisch zum Opfer, weil man Platz für die Rinderzucht schafft. Da Holzenergie kaum eine Rolle spielt im Land, ist das wirtschaftliche Interesse an gesunden Wäldern gering.

Aber die erneuerbaren Energien gewinnen langsam an Bedeutung. „Seit einem Jahrzehnt hat sich ein verändertes Bewusstsein in der argentinischen Gesellschaft in Bezug auf den Umgang mit Ressourcen bemerkbar gemacht“ stellte jüngst die Deutsch-Argentinische Industrie- und Handelskammer fest.

Nationale Strommix
Im Strommix ist der Anteil der Erneuerbaren bislang dürftig, von der historisch starken Wasserkraft einmal abgesehen, die auf einen Anteil rund einem Viertel kommt. Die „neuen Erneuerbaren“ haben aktuell nur einen Anteil von 1.8 Prozent an der gesamten Stromerzeugung Argentiniens. Der meiste Strom wird aus fossilen Energien erzeugt, die drei Atomkraftwerke im Land haben lediglich einen Anteil von gut fünf Prozent an der nationalen Stromerzeugung.

Bis 2016 sollte nach dem argentinischen Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2006 der Anteil des Ökostroms auf 8 Prozent erhöht werden. Weil die Politik das Ziel aber nicht engagiert genug anging, sah die Abgeordnetenkammer sich gezwungen, das Gesetz im September 2015 anzupassen; die neue Frist lautet nun auf Ende 2017. Ausserdem wurde das Gesetz ergänzt; nun soll es den Anteil der Erneuerbaren am Strommix bis 2025 auf 20 Prozent erhöhen. Um das zu erreichen, wird das Land nun 10‘000 Megawatt regenerative Kraftwerkskapazität ausschreiben. Im Rahmen einer ersten Ausschreibung hat das argentinische Ministerium für Energie und Bergbau bereits 600 Megawatt Windkraft, 300 Megawatt Solarenergie, sowie 65 Megawatt Biomasse, 15 Megawatt Biogas und 20 Megawatt Kleinwasserkraft ausgeschrieben. Aktuell verfügt Argentinien über rund 800 Megawatt Windenergieleistung.

Wärmesektor stark fossil geprägt
uch der Wärmesektor ist bislang stark von den fossilen Energien geprägt. Die Wärmeerzeugung in der Industrie erfolgt mittels Schweröl, Gas, Strom und Brennholz, vereinzelt gibt es auch Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Fernwärme ist praktisch unbekannt. In Haushalten nimmt aber die Wärmeerzeugung mit Strom zu, was mit ein Grund für den steigenden Stromverbrauch im Land ist: Alleine in den letzten zehn Jahren legte der Stromverbrauch im Land um gut 30 Prozent zu.

Damit ist Argentinien in steigendem Masse von Energie aus dem Ausland abhängig geworden. Innerhalb von neun Jahren hätten sich die Importe von Primärenergie nach Argentinien mehr als verfünffacht, bilanzierte kürzlich die Deutsch-Argentinische Industrie- und Handelskammer. Alleine zwischen 2012 und 2014 verdoppelten sich die Importe von Steinkohle und Erdöl.

Unklare Finanzierung von Schiefergaspotenzial
Die Energiegewinnung aus heimischem Schiefergas – nach China und den USA verfügt Argentinien über das weltweit drittgrösste Potenzial – hält die Handelskammer zumindest derzeit für keine Option: „Die Erschliessung dieser Schiefergas und -ölfelder kann aufgrund der unklaren Finanzierung und Förderkosten vorerst nicht als Lösung für die gegenwärtige Energiekrise angesehen werden.“

Mit Holz Energieimporte reduzieren
Holz könnte hingegen die Importe reduzieren. Die Kammer beziffert das Gesamtvolumen der zur energetischen Nutzung zur Verfügung stehenden Biomasse aus Natur- und Kulturwäldern auf jährlich 143 Millionen Tonnen. Nebenprodukte aus der Holzwirtschaft schätzt sie auf 2.7 Millionen Tonnen jährlich. Hinzu komme an den Anbauorten von Oliven und Zuckerrohr energetisch nutzbare Biomasse im Umfang von 2.5 beziehungsweise 3.4 Tonnen pro Hektar und Jahr.

„Sehr viele Gebiete Argentiniens weisen ausgezeichnete Standorte für die Errichtung von Elektrizitätswerken auf Basis von Biomasse und Biogas auf Basis von Agrarindustrieabfällen auf“, bilanziert die Kammer. Da viele Teile Argentiniens immer noch über ein schwaches Netz verfügen, bestehe vor allem Potenzial in dezentralen Lösungen. Von der Biomasse zählten 124 Millionen Tonnen als potenziell wirtschaftlich verwertbar. Das entspreche etwa der Hälfte der internen Nachfrage an Primärenergie, so die Handelskammer, und es sei „ein deutliches Zeichen, dass das Land über ein noch unentwickeltes Energiepotenzial im Bereich der Biomasse verfügt“.

Die Hemmnisse
Doch wo sind die Hemmnisse? Zum einen sind es die noch immer künstlich verbilligten konventionellen Energien: „Ein Merkmal des Energiesektors ist eine hohe Subventionierung im internationalen Vergleich“, schreibt die Handelskammer. In Befragungen hätten „alle die niedrigen Preise der konventionell erzeugten Energie als Hindernis für die Entwicklung des Marktes im Bereich der Verwertung von Biomasse und Biogas“ angegeben. Hinzu kämen fehlende Kenntnis und fehlende Referenzprojekte, zudem mangelnde Glaubwürdigkeit, da in der Vergangenheit Projekte auf den Weg gebracht wurden, die nicht funktionierten, sowie eine unzureichende öffentliche Unterstützung und politischer Wille, die Entwicklung der Branche voranzubringen.

Erste Hersteller von Kesseln, Rohren, ect.
Gleichwohl gibt es auf dem Markt für Biomasse- und Biogasanlagen bereits einige lokale Lieferanten, wie etwa Hersteller von Kesseln, Rohren, Messgeräten und sonstiger Ausrüstung. Denn trotz aller Schwierigkeiten in diesem Sektor seien die Unternehmen optimistisch, heisst es bei der Industrie- und Handelskammer. Mit einem Abbau der Subventionen auf Strom- und Gaspreise werde sich die Bioenergie positiv entwickeln, weil die Investitionen zunehmend wirtschaftlich interessant würden.

©Text: Bernward Janzing

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