Prinzip der Türlüftung von Dr. Beat Kegel und der Erich Keller AG: Der aktive Überströmer im Türblatt versorgt einen Raum mit Luft aus dem Korridor. Dieses Konzept siegte beim Zürcher Lüftungswettbewerb. Bild: Erich Keller AG

Prinzipiell schliessen aktive Überströmer isoliert gelegene Räume an ein bestehendes Lüftungssystem an. In der Regel fungiert ein Korridor als Zu- und Abluftbereich, an den einzelne Räume mittels Überströmlüfter angebunden werden. uelle OeJ

Der Beitrag der Durrer-technik AG ist ein s-förmiger Prototyp. Der Überströmlüfter wird in die Wand eingebaut und eignet sich daher vor allem für Neubauten oder bei Instandsetzungen mit grösserer Eingriffstiefe. Bild: Durrer-technik AG

Wie bei der Türlüftung bietet der Überströmer im Türrahmen einen bedarfsgerechten Betrieb. Der Lüfter läuft nur wenn es nötig ist – bei geschlossener Tür. Bild: FHNW

Das Institut für Produkt- und Produktionsengineering der FHNW erreichte mit seinem aktiven Überströmer ebenfalls die Finalrunde des Wettbewerbs. Alle technischen Elemente sind im verbreiterten Türrahmen integriert. Bild: FHNW

Neben den Bürotüren in Zwischenwände integriert, sorgen die Lüftungselemente der Erich Keller AG für frische Büroluft. Bild: Basler & Hofmann AG, Ingenieure Planer & Berater

In Esslingen belüften 46 aktive Überströmer die Büros eines Geschäftshauses. Das von Basler und Hofmann geplante Gebäude wurde im Minergie-P-Eco-Standard gebaut und produziert seine Heiz- und Kühlenergie selbst. Bild: Basler & Hofmann AG

Überströmer: Innovation in der Lüftungstechnik

(BHS) Aktive Überströmer können Systeme zur Lufterneuerung vereinfachen – sowohl bei Sanierungen als auch im Neubau. Der Wettbewerb dazu brachte vielversprechende Resultate. Die ersten Geräte sind schon installiert.


Vielfältige Innovationen beleben den Markt der Lüftungstechnik. Dazu gehören auch die im Rahmen eines Produktwettbewerbs weiterentwickelten aktiven Überströmer für den Wohnbereich. Veranstaltet hat den Wettbewerb die Fachstelle Energie- und Gebäudetechnik (FS EGT) des Amtes für Hochbauten der Stadt Zürich, gemeinsam mit dem Verein Minergie.

Als bestes Produkt bewertete die Jury den Überströmer der Arbeitsgemeinschaft Erich Keller AG und Dr. Beat Kegel, bei dem die Lüftungseinheit ins Türblatt integriert ist. Die ersten Gebäude wurden bereits mit aktiven Überströmern ausgerüstet. Auch die Beiträge der weiteren Finalisten sind vielversprechend (siehe unten). Die Jury erfreute sich insgesamt eines grossen Variantenreichtums, der marktfähige Produkte für verschiedene Anwendungsbereiche bietet. Bei der Sanierung von Wohnungen und Büroetagen ermöglichen die präsentierten Produkte den Anschluss einzelner − mitunter abgelegener − Räume ohne grossen baulichen Aufwand. Aber auch in Neubauten können aktive Überströmer zu einfacheren und damit kostengünstigeren Lösungen führen.

Aussenluft nach Bedarf
Nur ein geschlossener Raum bedarf einer aktiven Lufterneuerung. Diese simple Idee setzt der Prototyp einer Türlüftung technisch geschickt um. Die Entwickler des erstprämierten Wettbewerbsbeitrages legen die Stromversorgung für die Ventilatoren vom Lichtschalter über den Türrahmen zum Türblatt, in dem das Lüftungssystem eingebaut ist. Kontakt ergibt sich nur bei geschlossener Tür; der Betrieb ist demnach automatisch bedarfsgerecht. Die Lüftungseinheit eignet sich für die Nachrüstung, da sich das gesamte System im Türblatt befindet – ein grosses Plus bei Sanierungen. Zu beachten ist: Zugeführte Luft aus Nebenräumen (Korridor, Wohnzimmer) ist Umluft und keine Aussenluft. Daher muss der Luftwechsel höher sein als bei direkter Aussenluftzufuhr. Erhöhte Luftraten von rund 60 m3/h erfordern zusätzliche Massnahmen zur Geräuschreduktion und Zugluftvermeidung. Ebenfalls müssen Möglichkeiten zur Reinigung des Gerätes gegeben sein. Alle technischen Ansprüche wie Schalldämmung und Luftraten (siehe Bewertungskriterien) erfüllt dieses Türlüftungssystem. Insbesondere die Energieeffizienz übertrifft die Anforderung mit einer gemessenen Leistung von 1,2 W um das Vierfache. Schliesslich garantiert der einfache Zugang zu allen bewegten Teilen eine rationelle Wartung und Reinigung. Die Wettbewerbs-Jury attestiert dem Konzept ein grosses Potenzial für Sanierungen, aufgrund des geringen Stromverbrauchs aber auch für Neubauten.

Gebäudetechnische Antwort auf die heute übliche dichte Bauweise
Aktive Überströmer sorgen für einen Luftwechsel in einzelnen Zimmern auch bei geschlossenen Türen. Nicht vom Lüftungssystem versorgte Räume werden so mit wenig Aufwand dauerhaft belüftet. Es entsteht eine Satellitenlüftung mit Anschluss an den Hauptluftstrom. Diese Entwicklung ist zweifelsohne die gebäudetechnische Antwort auf die heute übliche dichte Bauweise. Obwohl diese Lösung mehrmals angedacht wurde, waren keine standardisierten Produkte für den Wohnungsbau verfügbar. Bereits vor zehn Jahren verfasste Beat Kegel ein Patent für einen „Verbundlüfter“, fand damals jedoch keinen Industriepartner, der das Potenzial erkannte. Dies ist heute eindeutig vorhanden: Die Stadt Zürich plant den Einsatz von aktiven Überströmern im Rahmen einer ersten Wohnbau-Sanierung. Denn in vielen Objekten sind klassische Komfortlüftungssysteme nur sehr schwer oder gar nicht zu realisieren. Bereits installiert ist ein System des Wettbewerbssiegers im neuen Bürogebäude von Basler & Hofmann in Esslingen. Die Beispiele verdeutlichen den aktuellen Bedarf an aktiven Überströmern.

Perspektive auch für Neubauten
Ursprünglich für Sanierungssituationen initiiert, brachte der Wettbewerb ebenfalls neue Optionen für Neubauten hervor. Generell tendiert die Jury für Sanierungen zum Einbau von aktiven Überströmern in Türen, während sie für Neubauten eher Türrahmen oder Wände als geeignete Einbausituation sieht. Diese Lösungen thematisieren die übrigen Finalbeiträge. Lüftungssystemanbieter Durrertechnik AG präsentierte einen S-förmigen Prototyp, der beispielsweise oberhalb von Türen in die Wand eingebaut wird. Baulich ist somit eine grössere Eingriffstiefe erforderlich. In Neubauten kann das System aber aufgrund seines geringen Energiebedarfs eine lohnende Alternative sein. Verschiedene Abdeckgitter bieten zudem gestalterischen Freiraum. Die Systemlösung des Instituts für Produkt- und Produktionsengineering der Fachhochschule Nordwestschweiz wird in den Türrahmen montiert. Bei Sanierungsvorhaben lässt sich der präsentierte Prototyp mit geringem baulichem Aufwand installieren. Allerdings verkleinert die Installation die lichte Weite der Türöffnung, die Behindertengerechtigkeit ist dadurch eingeschränkt. Die Jury bescheinigt dem Konzept insbesondere im Neubaubereich ein grosses Potenzial, also in Fällen, in der der Überströmer in die Grundrissgestaltung mit einbezogen wird.

Vereinfachte Steuerung
Der Einsatz von aktiven Überströmern reduziert zudem den Steuerungsaufwand für bedarfsgeführte Lüftungsanlagen. Sind alle Räume entweder direkt oder mittels Überströmer belüftet, ist die Luftqualität überall gleich. Dass nicht jeder Raum ans Hauptlüftungssystem angeschlossen sein muss, ist das Ergebnis des Forschungsprojekts „Raumluftströmung“ der Zürcher FS EGT. Die Studie zeigt: Durch Wärme- und Kältequellen (Personen, Fenster etc.) entsteht eine gleichmässige Durchmischung im gesamten Raum. Die Lage der Zu- und Abluftöffnungen hat praktisch keine Relevanz. Folglich genügt die Messung der CO2-Konzentration an einer einzigen Stelle der Wohnung oder des Büros. Die Lüftung kann mit wenigen grossen, günstig zu realisierenden Zonen bedarfsgerecht betrieben werden. Bei geringer Raumbelegung reicht eine merklich gesenkte Aussen-Luftmenge aus, was Energieverbrauch und Filterkosten reduziert und den Feuchtigkeitshaushalt verbessert.

Weitere Untersuchungen geplant
Zurzeit sucht das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich geeignete Wohnbau-Objekte, um diese mit aktiven Überströmern auszurüsten und Erfahrungen zu sammeln. Nachgedacht wird über den Einsatz des Systems in einer Wohnsiedlung. Die aktiven Überströmer würden in einem Dutzend schwierig zu erschliessende Zimmer als Ergänzung der konventionellen Komfortlüftung eingebaut. Die FS EGT wird die Systeme ausmessen, um eine faktengestützte Interpretation zu ermöglichen. Ebenfalls werden weitere Anwendungen evaluiert, beispielsweise der Einsatz in Schulhäusern.

Beste Prämierung: Türlüftung (Erich Keller AG und Dr. Beat Kegel)

  • Vollständig ins Türblatt integriertes Lüftungssystem
  • Nachrüsten in belegten Wohnungen kostengünstig und schnell möglich
  • Baulich einfache Stromführung vom Lichtschalter
  • Bedarfsgerechter Betrieb nur bei geschlossener Tür
  • Sehr geringe Stromaufnahme 1,2 W
  • Gute Zugänglichkeit für Wartung und Reinigung
  • Sinnvoller Einsatz bei Sanierungen und Option für Neubauten

www.erichkeller.ch


Weitere Prämierung:
Wandlüftung (Durrer-technik AG)

  • S-förmiger Lüftungskanal im Mauerwerk, z.B. oberhalb der Tür (Türsturz)
  • Gestalterische Vielfalt durch wählbare Abdeckgitter
  • Einfach an unterschiedliche Mauerstärken anpassbar
  • Geringe Stromaufnahme von 2,6 W
  • Mögliche Lösung für Neubauten und tiefgreifende Sanierungen

www.durrer-technik.ch


Weitere Prämierung:
Zargenlüftung (Fachhochschule Nordwestschweiz)

  • Schmales kastenförmiges Lüftungsmodul für Einbau im Türrahmen
  • Ohne grossen baulichen Aufwand installierbar
  • Integral gelöste Rückströmung
  • Bedarfsgerechte Steuerung
  • Mögliches Potenzial insbesondere im Neubaubereich

www.fhnw.ch/technik/ippe


Die
Initianten des Wettbewerbs
Initiiert wurde der Produktwettbewerb von der Fachstelle Energie- und Gebäudetechnik (FS EGT) des Amtes für Hochbauten (AHB) der Stadt Zürich, gemeinsam mit dem Verein Minergie. Auslöser war die fehlende Verfügbarkeit von flexiblen Lüftungslösungen. Grundrisse, die keinen Einbau von Komfortlüftungen zulassen – was häufig bei Sanierungen der Fall ist – erfordern alternative Lösungen. Das AHB ist als Bauherrschaft häufig von diesem Mangel betroffen ist. Dabei ist der Weg keineswegs ungewöhnlich: Im Amt für Hochbauten haben Wettbewerbe Tradition. Auch diesmal stiess die Ausschreibung auf grosse Resonanz bei zur Teilnahme eingeladenen Firmen. Insgesamt neun Beiträge wurden eingereicht, von denen eine Jury drei Vorschläge zur Weiterbearbeitung auswählte. Das Entscheidungsgremium legte einen Schwerpunkt auf die ansprechende Gestaltung der Geräte (siehe Bewertungskriterien), um eine spätere Akzeptanz bei Architekten sicherzustellen. Dementsprechend kommen von den fünf Juroren drei aus dem Bereich Architektur und Produktdesign und zwei aus der Technik. Unterstützt wurde die Jury von einer dreiköpfigen Expertengruppe. Der Jurybericht ist unter www.stadt-zuerich.ch/egt verfügbar.

Jury

  • Anna Blattert, Produktdesignerin, Postfossil
  • Katrin Pfäffli, Architekturbüro H.R. Preisig
  • Adreas Galli, Galli & Rudolf Architekten
  • Heinrich Huber, Minergie Agentur Bau
  • Franz Sprecher, Leiter FS EGT, AHB, Stadt Zürich


Experten

  • Jürg Müller, Liegenschaftsverwaltung, Stadt Zürich
  • Markus Bertschinger, AHB, Stadt Zürich
  • Walter Lips, Akustiker, Luzern


Text:
Markus Bertschinger, Fachstelle Energie- und Gebäudetechnik im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich, Zürich, Heinrich Huber, Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Stellvertretender Leiter der Minergie Agentur Bau, Muttenz, Franz Sprecher, Leiter Fachstelle Energie- und Gebäudetechnik im Amt für Hochbauten der Stadt Zürich, Zürich

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